Reeperbahnfestival // 20. – 23.09.2017 @ Hamburg St. Pauli
Letztes Jahr auf dem Reeperbahnfestival kam ich am frühen Abend am Hamburger Berg beim Headcrash vorbei. Die Tür des Clubs ging kurz auf und neben heißer sauerstoffarmer Luft kam vor allem ein ziemlich krachiger und gut geölter Gitarrensound heraus. Also spontan hereingequetscht in den Schuppen, die Band war auf der niedrigen Bühne zwar kaum zu sehen, aber die Stimmung großartig. Das dänische Duo (Name leider entfallen), heizte den Laden mit ihrem destilliertem Blues und Rock richtig gut ein und ich denke für viele Anwesenden war dies eines der Höhepunkte des Festivals. Oder am selben Abend im Molotow. Vier unbekannte Teenager stehen auf der Bühne, nennen sich The Lemon Twigs und spielen tollen Sixties-Pop mit prima Harmoniegesängen mit ein paar Ecken und Kanten. Das erinnerte vom Konzept sehr an das großartige erste Foxygen-Album. Als einen Monat später mit Do Hollywood das Debutalbum der Lemon Twigs erschien und medial durch die Decke ging, war man doch einer der wenigen, die diese vielversprechende Band schon mal live erleben durfte.
Das Reeperbahnfestival geht diese Jahr in die 12. Runde und mehr den je darf man sich auf spannende unbekannte Bands und Newcomer freuen. Vier Tage lang spielen rund um den Hamburger Kiez hunderte von Bands, Künstlerinnen und Künstler. Neben etablierten Clubs sind vor allem die Locations, an denen man sonst keine Live-Musik erleben kann, ein Besuch wert. Im letzten Jahr wurde an dieser Stelle noch orakelt, ob wohl die Elbphilharmonie im Rahmen des Reeperbahnfestivals 2017 bespielt wird. Und tatsächlich, mit Owen Pallett, Daniel Brandt und Dillon sind drei Konzerte in Hamburgs Vorzeigebau geplant. Eintritt gibt es hier übrigens nur nach vorheriger Registrierung beim Ticketkauf. Man will enttäuschte Gesichter und lange Warteschlangen vermeiden.
Erstmals wird dieses Jahr ein Festivaldorf auf dem Heiligengeistfeld errichtet, was der Anbindung der Feldstraßenclubs wie Knust, Uebel und Gefährlich, Terrace Hill und dem Resonanzraum gut tun wird.
Zur musikalischen Orientierung sei die sehr übersichtliche Reeperbahnfestival-App empfohlen, in der wie gewohnt ausführliche Infos und auch Hörbeispiele zu finden sind. Ansonsten gilt: einfach treiben lassen. Die besten Konzerte sind die unerwarteten. Eine kleine persönliche Auswahl:
Donnerstag 21.09
Fabrizio Cammarata ist ein sizilianischer Songschreiber, der gerne über den Tellerrand schaut und gekonnt afrikanische und karibische Rhythmen in seine Songs einbaut. Olivias Kiez Oase, 16.00 Uhr
LeVent ist die neue Band von Heike Rädeker (Ex-18th Dye). Mit zwei Bässen und einem Schlagzeug gibt es dunklen dynamischen Doom-Sound von Leuten die wissen wie es geht. Hanseplatte, 23.00 Uhr
Freitag 22.09
The Drums sind seit Jahren die Indie-Pop Posterboys aus Brooklyn. Gute Laune garantiert! Uebel & Gefährlich, 21.10 Uhr
King Creosote hat in seinem Leben keinen schlechten Song geschrieben. Mit jedem Jahr seiner Karriere werden die Alben des Schotten besser und besser. Inzwischen ist er einer der begabtesten Songwriter der letzten Jahre. Hingehen! Imperial Theater, 21.15 Uhr
Federico Albanese, der Italiener hat gekonnt in die Tasten und hat sich innerhalb kürzester Zeit einen Namen im Bereich der Neo-Klassik gemacht. Resonanzraum, 22.30 Uhr
Jane Weaver aus England hat auf ihrem aktuellen Album Modern Komsmology ihre Songs mit viel Krautrock, Psychedelic und Electronica gewürzt. Zusammengehalten von ihrer hellen Stimme darf man sich auf die Live-Umsetzung freuen. Häkken, 0.00 Uhr
Omar Souleyman har früher auf Syrischen Hochzeiten Musik gemacht. Inzwischen ist er auf dem Jetset und in der Elektro-Szene ein willkommenes Unikum. Uebel & Gefährlich, 00.40
Beth Ditto, Rolemodel und stimmgewaltige Ex-Frontfrau von Gossip, ist inzwischen als Solokünstlerin unterwegs und live immer eine Bank. Wahrscheinlich eine der bekanntesten Acts diese Jahr und damit irgendwie Headliner. Große Freiheit 36, 01.10 Uhr
Samstag 23.09
Roger Behrens, Publizist und Testcard-Autor, doziert zum Thema Pop als Utopie einer besseren Welt. Millerntorwache, 18.00 Uhr
This Is The Kit. Die Banjo und Gitarre spielende Kate Stables aus Winchester, England, macht zeitloses Songwriting der Extraklasse. Hingehen! Nochtspeicher, 19:40
Mise En Scene haben vor kurzem mit Still Life On Fire ein ziemlich gutes Album veröffentlicht. Die Kanadierinnen wissen um den Indie-Rock der guten alten Schule. Grüner Jäger 23.15 Uhr
The Districts hatten vor zwei Jahren mit A Flourish And A Apoil eines der Alben 2015 am Start. Das neuste Werk der Indie-Rocker aus Philadelpiha (Popular Manipulations) ist leider eine Enttäuschung, live soll die Band aber ein Feuerwerk zünden. Grünspan, 00.00 Uhr