Weird War – Weird War
Im vierten Stock des Hauses gegenüber wohnt eine alte Frau. Sie ist weit über 70 und öffnet jeden Mittag eines ihrer Fenster zur Straße hinaus, um ein paar Brotkrumen für die Möwen dieser Stadt auf ihrem Fenstersims zu hinterlegen. 20 bis 30 kreischende Möwen fallen kurz danach wildflatternd in unsere kleine Straße ein, um sich ein paar Krümel zu sichern. Wenn das tägliche Spektakel nach Sekunden wieder vorbei ist, lässt die alte Frau ihr Fenster sperrangelweit offenstehen, fast so, als würde sie noch privaten Besuch von einem ihrer gefiederten Freunde erwarten. Dann aber ertönt Musik aus ihrem Zimmer, so laut, dass der Sound sich durch die gesamte Straße trägt. Die alte Frau ist Musikkennerin mit einer ganz erstaunlichen Plattensammlung: zwischen Klassik, Mersey Beat und Gospel gibt es alles Mögliche zu hören, und sie trifft stets eine geschmackssichere Auswahl. Als ich die Platte von Weird War hörte, dachte ich mir, sie müsste der alten Frau von gegenüber gefallen: immerhin gesellt sich auch hier eine schöne Mischung aus musikalischen Referenzen vergangener Zeiten. Mit Ian Svenonius (früher bei The Make Up und Nation Of Ulysses) gibt es einen Sänger, der so klingt, als hätte James Brown Kreide gefressen, und die Gitarre von Neil Hagerty (Royal Trux) bewegt sich in dermaßen schnörkeligen Melodielinien, als wären die progressiven Siebziger das Hier und Jetzt. Eingebettet ist der Sound in knallbunten Pop-Appeal: Baby it’s the best wird da geshoutet und im nächsten Refrain haucht eine liebliche Frauenstimme Uhhs im Hintergrund. Von Svenonius weiß man aber, dass er auf der Bühne so lange sein Maul aufreißt und den Konzertbesuchern ins Gesicht springt, bis auch der letzte seine Botschaft verstanden hat: Gegen das Establishment und gegen die regressive Massenkultur – das ist halt seine Art, den armen Tieren Brot zu geben und korrekte Musik unter die Bewohner der Straße zu bringen. Domino